Der Brücken-Bauer

Wolfgang Hörnig liebt das Bauen. In dritter Generation leitet er das Familien- und Traditionsunternehmen – die Adam Hörnig Baugesellschaft. Hunderte von Brücken sind entstanden. Schmucke Industriekomplexe wurden gebaut. Das Schlimmste an der Krise der Bauwirtschaft ist für ihn? Man lässt ihn nicht bauen.

Wir treffen Wolfgang Hörnig zwei Mal. Jetzt kurz nach der Bundestagswahl und den Verhandlungen zum 900.000.000.000-Euro-Paket legt er viel Wert darauf, wie zufrieden er sei. Das ist gut für uns. Das ist gut für unser Land. Das Deutschland-Gebäude werde saniert. Endlich. 

„Ich bin sehr zufrieden“, sagt einer, der von Bauprojekten und Infrastrukturmaßnahmen lebt. Und der 500-Milliarden-Fonds für Autobahnen, Straßen und Gebäude ist ein formidables Konjunkturpaket für die Bauwirtschaft. Und Unternehmer wie ihn. Wolfgang Hörnig ist Chef der Adam Hörnig Baugesellschaft.

Rückblick: Der Mann sitzt noch nicht einmal. „Am Bau ist es derzeit eine Katastrophe.“ Und er redet gleich weiter. Darüber, dass die Zahlen der Statistiken gar nicht zeigten, „wie schlimm die Lage in Wirklichkeit ist.“ Und darüber, dass die Politik „uns da in etwas reingeritten hat, das wird Jahre dauern, bis das wieder in Ordnung kommt.“

Dabei hatte man nur so ganz allgemein die Frage gestellt, ob es denn gut gehe. Wolfgang Hörnig ist in seinem Element. Er liebt den Bau. Er liebt es zu bauen. Aber hohe Zinsen, fehlendes Personal, rasant gestiegene Preise bei Baustoffen, leere Kassen der öffentlichen Haushalte, Zurückhaltung bei den privaten Häuslebauern und der Wirtschaft – das alles macht ihm schlechte Laune. Weil er nicht das tun kann, was er am besten kann und liebt. Bauen.

Dabei gäbe es viel zu tun. Infrastruktur, Wohnungsbau, Gewerbe- und Industriebau. „In Deutschland leben wir seit Jahren von der Substanz“, ist sein nüchterner Blick auf den aktuellen Zustand. Wenn man sich heute Wohnanlagen aus den 80ern, Brücken und Straßen aus den 70ern, Industriekomplexe aus den 60er-Jahren genauer ansehen würde, dann „schlägt es einem mit einem Mal ins Gesicht, auf welch marodem Fundament wir leben und arbeiten.“ Das sei wie beim Arzt. Hinter so manchem Bauchweh würde sich am Ende ein böser Darmkrebs verbergen. 

Will heißen: Tropfende Dächer beim Bungalow, Risse in den Brücken der Autobahnen – um den Schaden zu beheben, sei meist eben keine kleine Schönheitskorrektur ausreichend, „sondern oft muss alles neu.“ Und das, schimpft er weiter, „ist ja nur die Bestandswahrung. Wir hinken aber auch der Nachfrage hinterher.“ Viele Brücken, gerade Autobahnbrücken, erläutert Hörnig, stammten aus Zeiten, in denen viel weniger Verkehr herrschte, viel weniger Lkws unterwegs waren. Gerade die zweispurigen Brücken müssten längst auf dreispurig ausgebaut sein. „Wir sind ein Transitland.“ Von Ost nach West und zurück, von Nord nach Süd und umgekehrt. Was der rollende Verkehr mit seinen Schwingungen an den Brücken für Schäden hinterlasse, „da müsste längst dringend etwas getan werden.“ Wird es aber nicht.

Das Wort Katastrophe werden wir im Verlauf des Gesprächs noch das eine oder andere Mal hören. Industriebau? Wer investiert denn noch in Deutschland? Die großen Konzerne bauen lieber in Billiglohn- und Niedrigsteuerländern. Der Mittelstand? Das gleiche Thema. Und im Wohnungsbau hat die Bunderegierung angekündigt 400.000 Wohnungen im Jahr bauen zu lassen. „Pffft“, sagt er da. „Nicht einmal die Hälfte wurde geschafft.“ Die Industrienation Deutschland? Die machen wir doch selbst kaputt. „Wir müssen mal das Bild über Deutschland scharf stellen“, sagt er. Und genau hinsehen.

Wolfgang Hörnig ist geschäftsführender Gesellschafter der Adam Hörnig Baugesellschaft mit Sitz in Aschaffenburg. Nach dem Studium in München und ein paar Jahren bei Holzmann in Frankfurt ist er seit 1986 Chef am Bau. Und kämpft für seine Liebe zum Bau.

Ein Mann, der in Dekaden denkt. Im April 2024 wurde er 70 (was ihm in der IHK-Zeitschrift eine Ehrung brachte). Mehr als 90 Jahre besteht die Adam Hörnig Baugesellschaft bereits und „80 Jahre“, sagt er, „hält eine Brücke Made by Hörnig.“

„Standfestigkeit“ heißt es in den Jubiläumsnews, sei eine der wesentlichen Tugenden. Sowohl für das Unternehmen und seine Werte als auch für die Bauwerke. Die Liste der Brücken, die sicher irgendwo an einem Pfeiler das Label „Made by Hörnig“ tragen, ist ansehnlich. Die Stadtbahnbrücke in Stuttgart, die Talbrücke Landeskroner Weiher der A45. Die Mainbrücke in Horhausen. Die Talbrücke Tulba an der A7. Jeden Tag passieren Zigtausende von Pkw und Lkw die Brücken und Bauwerke. Der Begriff Standfestigkeit bekommt da eine besondere Bedeutung.  

Wenn Hörnig von Gerätschaften spricht, die sich 20 Meter tief in den Felsen bohren und Verankerungen für die Ewigkeit schaffen, dann ist er in seinem Element. „Das läuft noch.“ Großbrückenbau ist der Fachbegriff für ein anderes Marktsegment. Projekte, die Jahrzehnte dauern. Die Baurechtfeststellung, also das Planungsverfahren, ist der erste Akt eines langen Weges. „Da sind dann schon mal 10 bis 15 Jahre ins Land gegangen.“ Die eigentliche Planung benötige weitere ein bis zwei Jahre. Der Bau selber gehe dann oft zügig. Aber nur, wenn kein Lurch und keine Fledermaus gegen die Pläne vor Gericht ziehen. Er schüttelt den Kopf. „Katastrophe“, sagt er dann. Und weil angesichts leerer Kassen und unsicherer Zukunft jetzt erst einmal die meisten öffentlichen Aufträge vorerst gestoppt sind, sei auch dort die nächste Katastrophe geradezu vorbestellt.

Sein freundliches Gesicht und die Worte, die er spricht, passen so gar nicht zusammen. Wolfgang Hörnig steht in dritter Generation zusammen mit seinem Cousin Christian an der Spitze des Unternehmens. Die Generation 4 hat mit seinem Sohn Alexander Hörnig bereits ihren Platz im Unternehmen gefunden. 

Zeitsprung. 1928. Hörnigs Großvater Adam legt mit einem kleinen Handwerksbetrieb in der Aschaffenburger Ludwigsallee den Grundstein des heutigen Unternehmens. 1935 dann der erste Brückenbau. Die historische Brücke in der Darmstädter Straße in Aschaffenburg wird von Firmengründer Adam Hörnig um einige hundert Meter versetzt. Dort steht das Baudenkmal bis heute. Der ersten Brücke folgten einige hundert weitere Brückenbauten – Verbaumaßnahmen und Verankerungen. Hangsicherungen und Bohrpfahlgründungen. Nicht zu Unrecht steht in der Firmenbroschüre „Brückenbau ist unsere Leidenschaft“. 

In der Nachkriegsära bauen die beiden Söhne, Berthold und Werner, mit seinerzeit geradezu visionären Ideen das ursprüngliche Bauhandwerk zu einer modernen Firmengruppe aus und stellen die Adam Hörnig Gruppe bundesweit auf. Seit 1986 – also seit beinahe 40 Jahren – leitet Wolfgang Hörnig das Unternehmen. Aus der Baugesellschaft des Adam Hörnig ist längst ein Firmenkonglomerat geworden. Die Wohn- und Industriebaugesellschaft. Die Grundbau Bohrtechnik Spezialtiefbau und die Bauwerkssanierung. Schicke Industrieunikate stehen auf der Fertiggestellt-Liste, wie das BMW-Autohaus in Bad Homburg oder das Lufthansa Aviation Center in Frankfurt. Das Entwicklungszentrum von Linde in Aschaffenburg genauso wie das Mainpark Center in Mainaschaff. Vieles mehr. „Bauen ist Leidenschaft“ ist der Firmenslogan. 

Und weil die ganze Firma so denkt und fühlt, wurde im vergangenen Jahr gleich der Betriebsausflug zu einer Baustelle organisiert. Es ging nach Papenburg in der Nähe von Oldenburg. Norddeutschland. Die Papenburg-Werft, dort wo die Kreuzfahrer der Weltmeere entstehen, wurde besichtigt. Aber der wahre Grund für die Anreise der Belegschaft aus dem bayerischen Untermain war aber ein paar Kilometer Ems abwärts zu besichtigen. Obwohl es noch nicht alles zu sehen gab. Die Hörnig Gruppe wird dort eine Drehbrücke bauen. Oben die Züge, unten dann die Schiffe. 3000 Tonnen wird der Koloss wiegen, der sich auf dem Punkt drehen soll. „Das ist High-End Ingenieurs-Kunst“, schwärmt Wolfgang Hörnig. Man merkt dann: Er liebt es zu bauen. Er liebt es, Brücken zu bauen.

Zurück ins Jetzt: Hörnig ist zufrieden. Das sagt er mehrfach. Aber ein Unternehmer wie er wäre kein Unternehmer wie er, wenn er in Richtung Berlin nicht gleich noch einen Rat parat hätte. „Jetzt muss schleunigst der Bundeshalt 2025 verabschiedet werden, dann die Zukunftsfonds.“ Und bloß nicht der Versuchung erliegen, mal wieder viel zu viel in konsumptive Ausgaben umzuleiten. „Die 500 Milliarden Euro verteilt auf die kommenden zwölf Jahre müssen Eins-zu-Eins auch dort landen, wo sie dringend nötig seien.“ Auf dem Bau. Seine Bagger stehen bereit.